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In Brasilien wurden zehn Millionen genetisch veränderte Mücken ausgesetzt. Umweltschützer sind empört – die Folgen für die Natur seien nur schlecht untersucht. Doch die Hersteller der Gen-Mücken sehen sich im Recht: Sie wollen das tödliche Dengue-Fieber bekämpfen.

 

 

Der Leiter des Projektes ist frei von jeglichen Zweifeln. "Die neuen Mücken erfüllen ihre Aufgabe", gibt sich Aldo Malavasi zufrieden. Schon nach den ersten Monaten seien die Ergebnisse "sehr positiv": 85 Prozent der Mücken-Eier, die sein Team in Brasilien gesammelt hat, weisen die gewünschte genetische Veränderung auf, die sie früh sterben lassen wird. "Das Experiment funktioniert", sagte Malavasi in Rio de Janeiro.

Das Experiment – das ist die zahlenmäßig größte Freisetzung von genetisch veränderter Tieren, die es bisher gegeben hat. Aldo Malavasi hat etwa zehn Millionen Labor-Mücken in der Nähe der brasilianischen Stadt Juazeiro ausschwärmen lassen. Sie sollen helfen, das gefährliche Dengue-Fieber zu bekämpfen – eine Krankheit, die von Mücken übertragen wird.

Die Labor-Mücken tragen ein zusätzliches Gen, das in den Stoffwechsel des Insekts eingreift. Die Mücke beginnt mit der Produktion eines Giftes, das sie tötet. "Selbstmord-Gen" nennen Wissenschaftler diesen Effekt, der auf die nächste Mücken-Generation übertragen werden kann. Die zehn Millionen ausgesetzte Gen-Mücken sollen ausnahmslos männlich sein. Wenn sie sich mit den Weibchen fortpflanzen, ist die Nachfolge-Generation dem Tod geweiht bevor die Mücken fliegen. Und ohne Mücke kein Dengue-Fieber – so einfach ist das.

Aldo Malavasis Freude an den Ergebnissen ist doppelt. Er leitet nämlich nicht nur den Freisetzungsversuch, sondern ist gleichzeitig Präsident der Firma "Moscamed", die die Mücken hergestellt hat, berichtet die Wissenschaftszeitung "Nature". Die Tests seien von Behörden genehmigt und entsprächen den Vorschriften, teilt die Firma mit. So war es auch bei den ersten, kleineren Freisetzungen von Gen-Mücken auf den Cayman Inseln (2009) und in Malaysia (2010 und 2011) durch die britische Firma "Oxitec", deren Technologie auch "Moscamed" seine Mücken verdankt.

Für Umweltverbände ist das eine Farce: Die rechtlichen Grundlagen für die Tests hielten wissenschaftlichen Standards nicht Stand, sagt zumindest Guy Reeves, Biologe am Max-Planck-Institut in Plön. Zudem gebe es nur wenige, öffentlich zugängliche wissenschaftliche Berichte über die Freisetzungsexperimente, beklagt Reeves und wirft den Moskito-Designern Geheimniskrämerei vor. "Das geht alles sehr schnell und fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit", sagte er unserer Zeitung.

Auch die Bevölkerung vor Ort sei nicht ausreichend informiert worden, sagt Reeves, der mit vielen Einheimischen gesprochen hat – Mücken-Hersteller "Oxitec" widerspricht dieser Darstellung.

Richtig ist, dass es über Risiken durch die Gen-Mücken nicht ausreichend unabhängige Studien gibt. Welche Folgen erleiden Tiere, die sich von Insekten ernähren und viele Gen-Mücken fangen? Sind die Labormücken in der freien Natur vielleicht doch überlebensfähig, etwa weil sie sich anpassen werden? Was passiert, wenn die Gen-Information auf den Menschen durch einen Mückenstich übertragen wird?

Die Antworten der Befürworter klingen so: Die zusätzliche Gen-Information in der Mücke wird bei der Verdauung zerstört. Alle freigesetzten Insekten sind Männchen, die stechen nicht. Und: Im Labor überleben die Mücken nur, weil sie Zugang zu Antibiotika haben – die Tetracycline verhindern den Tod durch das selbst produzierte Gift.

Für Firmen wie "Oxitec" fällt es leicht, angesichts des großen Erfolgs beim Ausrotten der Mücke diese Bedenken als geringfügig zu geißeln. Das Dengue-Fieber ist nämlich durch Moskitonetze schwieriger zu bekämpfen als die ebenfalls durch Mücken übertragene Malaria – der Dengue-Überträger sticht den ganzen Tag über.

Doch das stärkste Argument gegen die Gen-Mücke summt wohl in den australischen Dengue-Fieber-Gebieten: Auch hier kämpfen Forscher mit Mücken gegen Mücken. Die Australier haben die Labor-Mücken mit dem natürlich vorkommenden Wolbachia-Bakterium infiziert. Das Bakterium wird auf die nächste Mücken-Generation übertragen und verhindert dort das Wachstum der Erreger des Dengue-Fiebers. Das Projekt wird staatlich überwacht, sieht aber auch große Freisetzungsexperimente vor.

Zum Schluss: Für die Gen-Mücken interessiert man sich auch in Florida. Dort stören die Mücken vor allem die Touristen. Die Labor-Mücke könnte die Plagegeister endlich ausrotten.