Das Bild "Blumen in blauer Vase" ist 125 Jahre alt. Deutlich zu sehen: Das farbenprächtige Werk verblasst an manchen Stellen, gelbe Blüten verfärben sich Orange-Grau. Ursache ist wohl ein Schutzanstrich, der dem Gemälde verpasst wurde – viele Bilder dieser Zeit leiden unter dem Phänomen.

 

Der prächtige Blumenstrauß von Vincent van Gogh irritiert den Betrachter. Er scheint zu verwelken – aber nicht überall, nur manche Blüten strahlen nicht mehr in einer kräftigen Farbe, sie sind bräunlich geworden. Was hat den großen flämischen Maler nur bewogen, dieses Abbild der Vergänglichkeit zu malen? Nichts. Als 1887 das Gemälde "Blumen in blauer Vase" in Paris entstand, malte van Gogh wie gewohnt in kräftigen Farben – und die Blüten waren wohl noch gelb.

Der Antwerpener Wissenschaftler Geert Van der Snickt sucht gemeinsamen mit dem Kröller-Müller-Museum in Otterlo und dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam nach der Ursache für die teilweise Verfärbung, die kein Einzelfall ist. Er hat zwei nur Millimeterbruchteile große Farbproben von dem Gemälde entfernt und analysiert. Das reichte aus, um Unruhe unter den Museumsdirektoren zu erzeugen. Ein feiner Anstrich, der sogenannte Firnis, der das Gemälde eigentlich schützen soll, ist wohl der Verursacher der welken Blüten.

"Viele der Gemälde aus Van Goghs französischer Periode sind in der Vergangenheit mit ungeeignetem Firnis versehen worden", sagt Ella Hendriks, Chef-Konservatoren in Amsterdam. Das geschah in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. "Bei einer Konservierungsbehandlung im Jahre 2009 zeigte sich eine ungewöhnliche, graue Kruste auf den Bereichen mit Cadmiumgelb", erinnert sich Margje Leeuwestein, Konservatorin am Kröller-Müller-Museum, dem das Bild gehört.

Cadmiumgelb – ein Farbpigment, das Ende des 19. Jahrhunderts in Mode kam. Van Gogh mochte diese intensive Farbe, doch schon die chemische Reaktivität verwandelt Cadmiumsulfid (so der Fachausdruck) an der Luft in eine Sulfatverbindung, die zwar noch sehr hell ist, aber schon fast weiß, weniger gelb. Doch die Blumen in der blauen Vase wurden sogar braun. Gerrit Van der Snickt entdeckte in Hamburg und Grenoble mit einer speziellen Art der Röntgenanalyse (Synchrotonstrahlung) warum: Der Firnis enthält Blei und begann zudem im Laufe der Jahre selbst zu zerfallen. Zwischen Bild und Firnis entstand eine dünne Schicht aus Cadmiumoxalat und Bleivitriol: undurchsichtig und schwarz verdeckt sie das strahlende Gelb. Der vermeintliche Schutz trägt zur schleichenden Zerstörung des Gemäldes bei. Ob eine Entfernung des Firnis möglich und sinnvoll ist, sei noch nicht abschließend geklärt, sagte Leeuwestein.

Doch Van Goghs Farben zu schützen ist ohnehin kaum möglich. Auch andere Gemälde verlieren an Leuchtkraft. "Seine Gemälde sind nicht unveränderlich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte", sagt Koen Janssens, Konservator in Antwerpen, "sie sind ein ziemlich reaktiver Cocktail von Chemikalien, der sich überraschend verhält."

Van Gogh verwendete viele Farben, die heute verpönt sind, aber wegen ihrer Intensität noch bis Ende des 20. Jahrhunderts sehr beliebt waren und auch Kunststoffe färbten. Die chemische Industrie konnte sie im 19. Jahrhundert erstmals in größeren Mengen herstellen und die experimentierfreudigen Maler waren gierig danach. Sie ergänzten das Angebot an natürlichen Pigmenten. Diese Farben bestehen zu hohen Teilen aus reaktiven Schwermetallen: Blei, Quecksilber, Chrom, Molybdän, Arsen, Antimon, Cobalt und andere. So auch das gelbe Bleichromat, das sich an der Luft langsam in Chromoxid verwandelt und den betroffenen Stellen der Bilder einen intensiven Grünstich verleiht. Bei den berühmten Sonnenblumen ist das zu erkennen – aber immerhin fügt sich das Grün gut ein.