Für Jimmy Wales ist Wikipedia nicht nur ein Online-Lexikon, sondern mehr eine soziale Mission. Er will allen Menschen zu mehr Wissen verhelfen, erklärt der Begründer der Internet-Plattform bei der Mercator-Stiftung.

Von Rainer Kurlemann

 

 

Jimmy Wales ist viel auf Reisen: 200 bis 250 Tage im Jahr jettet der Internet-Pionier rund um den Globus. Immer mit einer Botschaft: "Wir arbeiten täglich daran, dass die Welt besser wird", sagt Wales auch bei seiner Station in der Duisburger Salvatorkirche anlässlich der Mercator-Lecture. Vom Umfang seiner Reisen erzählt Wales dort nichts. So etwas liest man heutzutage nach – natürlich bei Wikipedia, dem Online-Lexikon, dass der Amerikaner vor gerade erst elf Jahren gegründet hat. Sein eigener Eintrag dort ist eher spärlich. Fast nichts Privates (lebt von seiner zweiten Frau getrennt, eine Tochter), fast ausschließlich Informationen zur Entstehung seines Projektes: Wikipedia.

Jimmy Wales wird nicht müde zu erklären, warum der freie Zugang, den Wikipedia zur Summe des menschlichen Wissens bieten will, für jedermann wichtig ist. In Argentinien lässt er jetzt die Inhalte von Wikipedia als DVD in Schulen verteilen, weil dort die Internetanbindung nicht gut genug ist. Auch in China hat er nach Gesprächen mit der Regierung den Zugriff auf Wikipedia ermöglicht – allerdings mit der landesüblichen Zensur, die auch bei anderen Internetportalen üblich ist.

Die Nutzer sind die Lexikon-Autoren

In mehr als 200 Sprachen gibt es mittlerweile Ableger des Online-Lexikons. Fast überall gehört Wikipedia zu den fünf beliebtesten Web-Seiten. Die Autoren sind noch immer die Nutzer selbst. Eine Community, die sich Mühe gebe, die Dinge sachlich darzustellen und die eine kultivierte Debatte führe, um bei den häufigen strittigen Fragen eine gemeinsame Lösung zu finden. Ein Männerportal übrigens: 87 Prozent der Autoren sind männlich, das Durchschnittsalter ist 28. Wohl auch der Grund, warum es mehr Einträge zu Star Wars gibt als zu Shakespeares Werken.

Für Wikipedias Erfolg bei seinen Nutzern ist diese Schieflage in den Themen kein Nachteil, für das Renommee manchmal schon. Die Redaktion einer Großen Enzyklopädie des Wissens hätte sicher anders entschieden, aber man merkt in Duisburg, dass diese Frage Wales langweilt. Ihm ist klar, dass Wikipedia Schwächen hat, aber das Lexikon werde jeden Tag besser.

Mit fleißigen Bienen vergleicht Wales seine Autoren, den er bei seinem Vortrag reichlich Raum einräumt – man sieht begeisterte Menschen, die sich einer Sache verschrieben haben. Seine eigene Rolle beschreibt er dezent als "König". Kein regierender Monarch, sondern eher das Symbol für die Einheit. Der König steht für gemeinsame Werte. Früher habe er sich mehr in die Inhalte eingemischt, sagt Wales. Heute sei das weniger nötig. Für ihn scheint wichtig, dass jemand die Idee von Wikipedia verkörpert.

Wales sammelt Spenden

Das Online-Lexikon wird längst von einer Stiftung geführt; Wales sammelt lieber Spenden, als sich für Werbung zu öffnen. Das könne eine Idee verändern. Beispiel Google: Früher eine tolle Suchmaschine mit dem Ziel Informationen zu finden. "Heute interessieren sie sich mehr für die Platzierung von Werbung", lautet Wales Beobachtung.

Wales glaubt nicht daran, dass eine Partei wie die Piraten nur mit dem Thema Internet sich lange halten wird. "Aber die traditionellen Parteien müssen sich mehr im Internet bewegen", sagt Wales später im Gespräch, "davon haben sie derzeit einfach zu wenig Kenntnis." Vielleicht kann Wikipedia bei diesem keineswegs nur deutschen Phänomen helfen.